Netherton Syndrom


Was ist das Netherton Syndrom?

Das Netherton Syndrom ist eine seltene vererbte Krankheit. Klassischerweise treten ab den ersten Lebenswochen eine Rötung und Schuppung der Haut auf, ein Haarverlust, wiederholte, z.T. schwere Infektionen, Ernährungsprobleme, eine Gedeihstörung und eine Tendenz zu allergischen Reaktionen („atopische Manifestationen“).

Wie häufig ist das Netherton Syndrom? 

Die Häufigkeit des Netherton Syndroms wird auf 1:200’000 geschätzt (d.h. in der Schweiz wird ca. alle 3 Jahre ein Kind mit dieser Krankheit geboren). Knaben und Mädchen sind gleich häufig betroffen.

Wie entsteht das Netherton Syndrom?

Die Ursache des Netherton Syndroms beruht auf einem genetischen Defekt: das Gen SPINK5 auf Chromosom 5 weist eine Mutation auf (es sind bisher ca. 35 verschiedene Mutationen dieses Gens bekannt). Das Gen SPINK5 produziert das Eiweiss LEKTI, ein wichtiger Bestandteil der äusseren Hautschicht (Hautbarriere). Beim Netherton Syndrom fehlt das Eiweiss LEKTI in der Haut, was zu einer schuppenden und vermehrt durchlässigen Haut führt, welche für Infektionen anfällig ist (Hautbarriere-Defekt).

Die Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt. Dies bedeutet, dass die Eltern von betroffenen Kindern klinisch gesund, jedoch sog. Träger der genetischen Veränderung sind. Treffen durch Zufall oder bei Verwandtschaft der Eltern zwei Krankheitsträger als Eltern zusammen, können ihre Kinder die Krankheit ausbilden. Das Risiko für weitere betroffene Kinder derselben Eltern beträgt generell 1:4 (25%). Nachkommen des betroffenen Kindes haben kein deutlich erhöhtes Risiko für das Auftreten der Krankheit. Wenn die genetische Mutation beim betroffenen Kind nachgewiesen wird, kann für weitere Schwangerschaften eine genetische Testung während der Frühschwangerschaft durchgeführt werden.

Wie präsentiert sich das Netherton Syndrom?

Kinder mit Netherton Syndrom weisen ab der Geburt eine auffällige, v.a. gerötete und schuppende Haut auf. Sie verlieren meist ihre Haare in den ersten Lebenswochen, welche dann nur langsam und eher spärlich nachwachsen. Ca. ab dem Alter von 12 Monaten bessert sich das Hautbild in den meisten Fällen. Meist bleibt jedoch zeitlebens eine empfindliche, schnell rot werdende und fein schuppende Haut bestehen, oft mit Juckreiz. Es treten immer wieder rasch wechselnde Ausschläge auf. Ein Teil der Patienten weist im Verlauf nur milde Hautveränderungen auf in Form von ringförmigen schuppenden Linien und Flächen (Ichthyosis linearis circumflexa). Das Hautbild kann sich schubweise verschlechtern (mehr Rötung und Schuppung) mit dazwischen auch monatelang anhaltenden guten Phasen. Juckreiz und Irritabilität ist v.a. im Kleinkindesalter ein Problem. Die Haut ist generell anfälliger für das Ausbilden von Warzen (Virusinfektion), welche z.T. hartnäckig sind und nur langsam auf eine übliche Warzenbehandlung ansprechen. Auf Pilzinfektionen und bakterielle Infektionen der Haut kommen häufiger vor.

Welche Risiken bestehen beim Netherton Syndrom?

Allgemeinzustand: Die Säuglinge erkranken oft während den ersten Lebensmonaten wiederholt an Infektionen, können Flüssigkeitsverluste und Auskühlung erleiden und Ernährungsschwierigkeiten sind häufig, was zu einer mangelhaften Gewichts- und Grössenzunahme führt. Oftmals müssen die Kinder v.a. im 1. Lebensjahr wiederholt im Spital betreut und behandelt werden. Die Kinder können in dieser ersten Zeit auch sehr schwer erkranken und es besteht ein gewisses Risiko, an einer schweren Infektion oder bei starkem Flüssigkeitsverlust sogar zu versterben.

 

Allergien und Ernährung: Die meisten Netherton Patienten entwickeln zahlreiche Allergien (v.a. auf Nahrungsmittel wie Eiweiss, Soja, Kuhmilcheiweiss, aber auch Tierhaare, Gräser, Baumpollen, Hausstaubmilben). Für gewisse Kinder besteht auch das Risiko eines allergischen Schocks, sodass immer ein Allergie-Notfallset mitgeführt werden muss. Es ist auf eine hypo-allergene Ernährung zu achten und die Nahrung ist mit Nährstoffen und Kalorien anzureichern, um eine möglichst gute Gewichtszunahme zu unterstützen. Wachstum und Gewichtsverlauf bessern sich in der Regel ca. ab dem 2. Lebensjahr, oftmals sind betroffene Kinder aber im Vergleich zu Gleichaltrigen eher kleiner und leichter.

Wie kann man das Netherton Syndrom behandeln?

Es gibt bis heute kein Medikament und keine Salbe, um die Krankheit zu heilen. Zur Behandlung sind v.a. unterstützende Massnahmen nötig, um Komplikationen zu verhindern und das Hautbild und das Allgemeinbefinden zu verbessern. Seit 2-3 Jahren werden neue zielgerichtete Medikamente, sog. Biologika (wie z.B. Secukinumab) für die Behandlung des Netherton Syndroms eingesetzt, mit z.T. sehr gutem Ansprechen der Hautprobleme.

Generell profitiert die Haut von einer sehr regelmässigen rückfettenden Pflege (mehrmals tägliches Eincremen, Oelbäder, milde Duschmittel). Gegen Juckreiz können Juckreiz-mildernde Tropfen/Tabletten (Antihistaminika) eingesetzt werden. Die Anwendung von Kortisonpräparaten und anderen Medikamenten in Creme-Form zeigt während der Anwendung einen sehr guten Effekt, allerdings wird damit keine anhaltende Abheilung erreicht.

Wie oben erwähnt ist die Ernährung anzupassen (hypoallergen, energiereich) und ein Allergie-Notfallset mitzuführen. Bei Infektionen und Gedeihstörung werden insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern Immunglobuline als Infusion verabreicht.

 

Zur Betreuung Betroffener ist ein gut funktionierendes interdisziplinäres Team von grosser Wichtigkeit (Kinderarzt, Kinderdermatologe, Immunologe, Allergologe, evt. Magendarm-Spezialist, Ernährungsberatung, Kinderklinik am Wohnort etc). Die Patienten müssen zeitlebens regelmässig dermatologisch betreut und kontrolliert werden; im Kindesalter häufiger, im Erwachsenenalter ca. 1x jährlich. 

 

IV-Anmeldung: Für das Netherton-Syndrom ist in der Schweiz eine IV-Anmeldung (primär unter GGV-Ziffer 107 =kongenitale Ichthyose) möglich. Somit werden die Kosten für die übliche medizinische Behandlung, Hilfsmittel (Materialien) und Pflegedienste (zB: Kispex) von der IV übernommen.

 

Impfungen: Es werden Impfungen gemäss CH-Impfplan, inkl. Pneumokokken-Impfung, empfohlen.

  • Pertussis (Keuchhusten)-Impfung der Kontaktpersonen
  • Influenza (Grippe-)-Impfung der Kontaktpersonen (im Herbst/Winter)
  • Varizellen (Windpocken-)-Impfung der Geschwister falls die Erkrankung noch nicht durchgemacht wurde

Text: PD Dr. med. L. Weibel, Leitende Ärztin
Pädiatrische Dermatologie, Kinderspital Zürich
Fotos: Valérie Jaquet, Fotografin, Kinderpsital Zürich

Weiterführende Links

Primäre Ansprechpersonen für das Netherton Syndrom am Kinderspital Zürich

Vereinigungen für Betroffene

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