Psychologische Unterstützung bei Hauterkrankungen

Hauterkrankungen können vielfältige psychosoziale Auswirkungen haben, welche die Lebensqualität und das psychosoziale Wohlbefinden Betroffener prägen (Erfahren Sie mehr dazu). Eine umfassende Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit stigmatisierenden Hauterkrankungen beinhaltet deshalb nicht nur eine medizinische Behandlung, sondern auch eine bedarfsgerechte psychologische Unterstützung. Dabei ist das Ziel, das Ausmass der Belastung durch die Hauterkrankung im Alltag zu reduzieren und somit die Lebensqualität Betroffener zu erhöhen und eine positive psychosoziale Entwicklung zu fördern. Nebst der Unterstützung durch Fachpersonen, kann es für betroffene Kindern und deren Angehörige auch hilfreich sein, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

 

Im Hinblick auf die psychosoziale Unterstützung von Betroffenen empfiehlt sich ein Modell der stufenweise Versorgung (Abb. 2). Als erstes ist wichtig, Patientinnen und Patienten mit Hauterkrankungen bewusst nach psychosozialen Schwierigkeiten zu fragen und einfühlsam darauf einzugehen (= Stufe 1). Die Frage, wie andere auf die Hauterkrankung reagieren und wie Betroffene damit umgehen, gibt bereits gute Anhaltspunkte über das Belastungserleben und zur Verfügung stehende Bewältigungsressourcen. Die Mehrheit der Betroffenen zeigen adäquate Bewältigungsmöglichkeiten und bedürfen keiner psychologischen Betreuung. Zeigen sich gewisse Unsicherheiten oder Sorgen, können niederschwellige Informationen (z.B. Broschüren, Hinweise zu hilfreichen Webseiten oder Betroffenen-Vereinigungen) abgeben werden (= Stufe 2). Berichten Betroffene oder deren Angehörige eine deutliche Belastung oder zeigen sich Hinweise für maladaptive Verarbeitungsreaktionen, kann eine kurze psychologischen Beratung bzw. spezifische Kurzinterventionen (= Stufe 3) hilfreich sein. Nur ein kleiner Teil der Patientinnen und Patienten bedarf einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung (= Stufe 4).

 

Abb. 2: Stufen-Modell für Interventionen zur Unterstützung bei psychosozialen Belastungen durch Hauterkrankung (adaptiert nach (7))

 

Wichtige Indikationen zur Erwägung einer psychologischen Unterstützung sind :

  • Vorbestehende psychische Störung oder Verhaltensauffälligkeiten
  • Hinweise auf eine depressive Entwicklung oder ausgeprägte soziale Ängste
  • Ungünstige Bewältigungsreaktionen (z.B. Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug, ausgeprägte Gefühle von Schuld, Scham oder Hilflosigkeit)
  • Belastete Schulsituation (z.B. Mobbing)
  • Belastete Familiensituation (z.B. starke emotionale Belastung der Eltern, ausgeprägte familiäre Konflikte, wenig soziale Einbettung, Gefühle von Hilflosigkeit/Überforderung)

Spezifische psychologische Interventionen

Das Ziel einer psychologischen Beratung ist, betroffene Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige in den Bereichen zu unterstützen, die sie als belastend wahrnehmen und somit die Lebensqualität zu verbessern. Aus klinisch-psychologischer Sicht sind folgende Inhalte zentral: Bewältigung von Stigmatisierungserfahrungen (z.B. Umgang mit neugierigen Fragen oder Hänseleien) und Bearbeitung dysfunktionaler Überzeugungen (z.B. „die starren mich an, um mich zu ärgern“) sowie belastender Gefühlen, wie Hilflosigkeit, Wut, Scham, Schuldgefühle oder Ängste. Dazu eignen sich insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapietechniken, die darauf zielen, dysfunktionale Bewertungen oder Verhaltensweisen zu verändern (7). Typische kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken sind:

  • Identifikation und Bearbeitung dysfunktionaler Gedanken und Bewältigungsreaktionen
  • Einübung kognitiver Bewältigungsstrategien (z.B. Gedankenstopp, Ablenkung, Positives Selbst-Zureden, Distanzierung von belastenden Gedanken)
  • Angstbewältigungstraining
  • Selbstsicherheitstraining, Soziales Kompetenztraining, Videofeedback, Modellernen
  • Entspannungsverfahren (z.B. Atemtechniken, Progressive Muskelrelaxation)

Damit sich ein Kind in sozialen Situationen wohl fühlt, ist es wesentlich, dass es möglichst früh Strategien lernt, wie es auf neugieriges oder auch ablehnendes Verhalten anderer Personen reagieren kann. Dazu kann ein Selbstsicherheits- oder soziales Kompetenztraining hilfreich sein: Im geschützten Rahmen der Therapie werden beispielsweise im Rollenspiel typische Problemsituationen und geeignete Reaktionsmöglichkeiten eingeübt. So kann die Therapeutin z.B. ein freches Kind spielen, welches negative Bemerkungen über die Hautauffälligkeit macht und das Kind kann üben, wie es darauf reagieren kann. Verhaltensübungen können auch hilfreich sein, um zu üben, selbstbewusst (Körperhaltung, Blickkontakt, etc.) aufzutreten und soziale Interaktionen aktiv zu steuern.

 

Eine hilfreiche Strategie im Umgang mit neugierigen Fragen ist beispielsweise die sogenannte „Erklären-Beruhigen-Ablenken“-Strategie: Als erstes  gibt man eine kurze Erklärung; dann folgt eine Beruhigung (z.B. „ist nicht ansteckend“), und anschliessend lenkt man das Gespräch bewusst auf ein anderes Thema. Die Strategie kann sowohl vom betroffenen Kind selbst, wie auch von Eltern oder Lehrpersonen angewandt werden. Nachfolgend zwei Beispiele:

  • „Ich habe ein Ekzem. Es macht meine Haut rot und juckend, aber es ist nicht ansteckend. Wollen wir zusammen eine Zeichnung malen?
  • „Man nennt es ein Feuermal. Ich bin damit geboren. Es ist bloss ein roter Fleck, es tut nicht weh und es stört mich nicht. Spielst du auch gern Fussball?“

Auch Eltern müssen lernen Stigmatisierungserfahrungen erfolgreich zu bewältigen – nicht nur für ihr eigenes Wohlbefinden, sondern auch, weil ihr Verhalten eine wichtige Modellfunktion für das Kind hat. Eine Mutter, die wahrnimmt, wie andere Kinder im Bus auf ihr Kind starren und tuscheln, könnte beispielweise auf diese zugehen und sagen:

  • „Kevin hat sich als kleines Kind verbrannt. Deshalb hat er eine Narbe. Nun geht es ihm aber gut. Wir mögen es nicht, wenn andere Leute auf uns zeigen und über uns tuscheln. Es wäre uns lieber, wenn ihr auf uns zukommt, hallo sagt und eine Frage stellt, falls ihr neugierig seid.

Der Kerngedanke liegt darin, dass man sich sowohl auf neugierige Fragen wie auch ablehnende Reaktionen vorbereiten kann. Dabei lohnt es sich, mit dem Kind diverse Antworten und Reaktionsmöglichkeiten einzuüben, bis sich diese natürlich anfühlen. Hat das Kind eins bis zwei Antworten griffbereit, so verliert die Situation ihren Bedrohungscharakter. Die aktive Gestaltung von sozialen Interaktionen stärkt zudem das Gefühl von Kontrolle.

 

Zur Prävention psychosozialer Schwierigkeiten ist auch wichtig, dass beispielsweise der Kindergarteneintritt oder ein Schulwechsel gut vorbereitet wird. Wir empfehlen Eltern, vorzeitig mit der Lehrperson Kontakt aufzunehmen und diese über die Hautauffälligkeit zu informieren und mit ihr zu besprechen, wie auf neugierige Blicke oder Fragen von Mitschüler/Innen reagiert werden kann. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, einen Informationsbrief an die Eltern der Mitschüler und Mitschülerinnen zu versenden. Eine proaktive Kommunikation hilft, falschen Vorurteilen oder Berührungsängsten vorzubeugen.

 

Literatur

  • Clarke A, et al. (2014): CBT for Appearance Anxiety: Psychosocial Interventions for Anxiety due to Visible Difference. Chichester, West Sussex, UK: Wiley-Blackwell.
  • Masnari, O., Wälchli, R., Landolt, M., & Theiler, M. (2015). Umgang mit stigmatisierenden Hauterkrankungen im Kindesalter – Wie kann man dem Kind und den Angehörigen helfen? Dermatologie Praxis, 25(4), 22-28.
  • Buchkapitel  aus „Schau mich ruhig an“: „Narben auf der Haut – Narben auf der Seele“

Weiterführende Informationen

(Beitrag: Dr. phil. Ornella Masnari, Psychologin, Kinderspital Zürich, 2019)

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